Die Geschichte vom Soldaten

Aufführungen

Diese u.a. um eine Videoprojektion erweiterte Fassung der eigentlich rein konzertanten fünfsätzigen "Suite aus L'Histoire du Soldat" (1919) von Igor Stravinsky entstand anläßlich eines Konzertprogramms des Ensemble Megaphon zum Thema "Klanglich Gewaltig" im Jahr 2016 und wurde in dieser Form mehrmals an verschiedenen Orten aufgeführt.

Ensemble Megaphon:

Sebastian Wendt, Klarinette
Lenka Zupková, Violine
Margit Kern, Akkordeon

Anja Tchepets, Grafik und Animationen
Andre Bartetzki, Videoprogrammierung und Ton

Bild- und Klangbeispiele

Videoaufnahme der Aufführung im Kommunalkino Hannover im März 2016


Anmerkungen zum Stück

Igor Strawinsky konzipierte und schrieb "L'histoire du soldat" im Jahre 1917 in Zusammenarbeit mit dem Dichter Charles Ferdinand Ramuz als musikheatralisches Werk für eine Wanderbühne: ein Erzähler, zwei Schauspieler, eine Tänzerin und sieben Musiker. Für das Libretto benutzte Ramuz Motive aus einer Sammlung russischer Märchen von Alexander Afanasiev.
Später arbeitete Strawinsky Teile aus "L'histoire du soldat" zu einer fünf Sätze umfassenden "Suite from ‘The Soldier’s Tale’" für die Trio-Besetzung Geige, Klarinette und Klavier aus. Für diese konzertante Fassung von 1919 gibt es keinen Text und keine Darsteller mehr.

In unseren Version werden die Erlebnisse des Soldaten durch die Zeichnungen und Animationen von Anja Tchepets (St. Petersburg / Berlin) wieder zurück auf die Bühne geholt: Die urprünglich von Darstellern gesprochenen und getanzten Szenen der Geschichte sind bei uns als poetische Videoprojektionen zu sehen. Dabei handelt es sich nicht um einen vorproduzierten Film, vielmehr werden die animierten Figuren und gezeichneten Szenenbilder teils manuell, teils automatisch zum musikalischen Geschehen auf der Bühne interaktiv synchronisiert. Aber auch die Musiker bekommen auf gewisse Weise die ihnen von Strawinsky in der Bühnenfassung zugedachten darstellerischen Rollen zurück.

Um die Handlung mit Bildern und im Rahmen der Trio-Fassung erzählen zu können, haben wir einerseits die Geschichte an einigen Stellen verkürzt bzw. umgedeutet, einige szenische Aktionen der Musiker eingefügt und schließlich noch die eigentlich nur in der originalen Bühnenversion vorkommende Pastorale hinzugenommen.

 

Die Handlung:

Ein Soldat befindet sich auf dem Weg in sein Heimatdorf. Er hat 2 Wochen Urlaub vom Dienst an der Front bekommen und will nun schnell nach Hause.
Bei einer kurzen Rast begegnet er dem Teufel. Dieser ist vom Geigenspiel des Soldaten beeindruckt und bietet ihm ein magisches Buch zum Tausch gegen die Geige an. Dieses Buch kann die kommenden Börsenkurse voraussagen und verspricht dadurch große Reichtümer.
Der Soldat willigt in den Tauschhandel ein, ohne zu ahnen, daß er damit bereits auch seine Seele dem Teufel versprochen hat. Der Teufel überredet den Soldaten, ihm auch noch das Geigenspiel beizubringen und lädt ihn dazu für drei Tage auf sein Schloß ein.
Nach Ablauf der drei Tage bringt der Teufel den Soldaten direkt in sein Dorf, wo der Soldat festellen muss, daß er von niemandem mehr erkannt wird. Als er dann seiner Verlobten begegnet, die nun ein kleines Kind auf dem Arm trägt, erkennt der Soldat, daß inzwischen viel Zeit vergangen sein muss und er nicht nur drei Tage sondern drei Jahre beim Teufel gewesen ist. Nun scheint alles verloren. Doch da erscheint erneut der Teufel und erinnert den Soldaten an das magische Buch. Er solle damit in die Stadt gehen und dort sein Glück machen. Sein Dorf aber darf der Soldat nicht mehr betreten, andernfalls droht ihm die Hölle.
Bald wird der Soldat in der großen Stadt mit Börsenspekulationen sehr reich und besitzt schließlich alles, was man für Geld kaufen kann. Dennoch findet er keine Liebe und ihn quälen die Erinnerungen an seine verlorenen Freunde, die Familie, die Verlobte.
So macht er sich wieder auf den Weg in seine alte Heimat.
Unterwegs macht er Halt in einem Wirtshaus, wo ihm abermals der Teufel begegnet, der ihm anbietet, seine Geige durch Kartenspiel wieder zurückzugewinnen. Doch der Soldat verliert beim Spielen auch noch all sein Geld an den Teufel. Jedoch gelingt es dem Soldaten, dem völlig betrunkenen Teufel schließlich die Geige zu entwenden.

Nun endlich nähert der Soldat sich wieder seinem Dorf ...

Anmerkungen zur Realisation

Anstelle eines fertigen Films oder einzelner Clips haben wir eine an die musikalische Interpretation des Ensembles zeitlich flexibel anpassbare Wiedergabemöglichkeit der Animationen angestrebt. Dazu wurden die wesentlichen Elemente der Animation - bewegte Figuren, Landschaftselemente, Hintergründe sowie Texttafeln - zunächst als einzelne Dateien vorproduziert. Erst bei der Aufführung werden diese Elemente mit Hilfe einer mit OpenFrameworks programmierten Software in Echtzeit zusammengesetzt und durch den Klang- bzw. Bildregisseur nach der Partitur gesteuert. Dadurch lassen sich z.B. bestimmte Aktionen der Figuren bzw. deren Erscheinen oder Verschwinden taktgenau zur Musik im richtigen Moment aufrufen. Ebenso ist es z.B. möglich, die Dauer oder das Tempo bestimmter Bewegungsabläufe während der Proben an Dauern oder Tempo korrespondierender musikalischer Abschnitte anzugleichen. Schließlich lassen sich auch Parameter, wie Helligkeit, Kontrast, Färbung, Größe, Position usw. jeder einzelnen Figur oder szenischer Elemente an die jeweiligen Aufführungsbedingungen bei Bedarf anpassen.