Die Bibliothek von Babel


Aufführungen

Babel wurde an zwei verschiedenen Orten gezeigt:
Die erste Version entstand für den Wasserturm in Torgau, wo sie während eines Wochenendes im Juni 1997 gezeigt wurde.
Das zweite Mal lief Babel für 3 Wochen im August/September 1997 in der singuhr - hoergalerie in parochial in Berlin. Während im Glockenraum die eigentliche Installation erklang, wurden auf der zum Glockraum führenden Wendeltreppe über 8 Lautsprecher dichte Texturen aus Fragmenten des in vielen Sprachen gesprochenen Textes eingespielt.

Klangbeispiele

Ein Durchlauf der Klanginstallation dauert ingesamt ca. 120 Minuten, die sich in 3 verschiedene Interpretationen der Textvorlage zu je 40 Minuten aufteilen. Diese 3 Versionen werden als parallel laufend aufgefasst: gelegentlich dringen Klänge der anderen beiden Versionen zu der im Vordergund erklingenden Interpretation durch. Das im Original 6-kanalige Tonband wurde für diese Hörbeispiele zu einer Stereomischung reduziert.

Hörbeispiel Version 1 :

Hörbeispiel Version 2 :

Hörbeispiel Version 3 :

Dokumentation

"Lesesaalschein" als Eintrittskarte Ankündigung in Torgau
singuhr - hoergalerie: Glockenraum


Katalog 1998

singuhr-hörgalerie in parochial: Klangkunst - Ausstellungen 1996-1998, Symposium 1998
hg. von Susanne Binas und Carsten Seiffarth
Saarbrücken (PFAU-Verlag) 1998. 122 Seiten mit 26 Abbildungen.
ISBN-Nr. 3-89727-055-2

Katalog 2010
singuhr-hörgalerie in parochial: sound art in berlin - 1996 bis 2006
hg. von Carsten Seiffarth und Markus Steffens
Kehrer Verlag Heidelberg 2010. 296 Seiten mit 280 Abbildungen
inkl. DVD-Video mit Tonaufnahmen von den Künstlern
ISBN-Nr. 978-3-939583-23-3

Anmerkungen zum Stück

Die Bibliothek von Babel entstand nach dem Text der gleichnamigen Erzählung aus den Fiktionen von Jorge Luis Borges. Formal läßt sich diese Realisation irgendwo zwischen elektroakustischer Tonbandkomposition, Hörstück und Raumklanginstallation einordnen, wobei weder musikalische noch dramaturgische noch raumakustische Konzepte eine besondere Rolle spielen. Der Besucher/Zuhörer erkundet auch nicht den realen, architektonischen, womöglich klanglich möblierten Raum, in dem sich diese Installation befindet. Vielmehr ist dieser Ort nur Gefäß oder stimmungsvolle Kulisse, um eine Vielzahl simultaner oder aufeinanderfolger virtueller Klangräume mit Hilfe der Lautsprecher aufzuspannen. Aus diesem Grunde wird die Bibliothek in einem abgedunkelten Raum inszeniert, ganz so, wie im Lesesaal einer realen Bibliothek alle Geräusche vermieden werden, um die volle Konzentration beim L e s e n der Zeichen zu ermöglichen. Die Zeichen, die in unserem "Hörsaal" zur Verfügung stehen, entstammen alle verschiedenen akustischen Lesarten und Interpretationen des Originals: der auf spanisch und deutsch gelesene Text sowie Fragmente in weiteren Sprachen, elementare akustische "Buchstaben" in Form von Phonemen, Diphonen und Silben, literarische, religiöse und wissenschaftliche Kommentare und Fußnoten zum Text. Die Bausteine des Textes von Borges und des Universums, das er beschreibt, sind die schriftlichen Zeichen eines Alphabets. Unsere Bibliothek dagegen ist vollständig auf Elementen der gesprochenen Sprache aufgebaut. In den Büchern der Bibliothek von Babel finden sich alle möglichen Kombinationen der Schriftzeichen des Alphabets. Ein Leser dieser Bücher wird sich daher fast immer unverständlichen Zeichenfolgen gegenübersehen und nur selten auf ein bekanntes oder mögliches Wort oder gar einen verständlichen Satz stoßen. In unserer akustischen Bibliothek ist das Verstehen des Gehörten ebenso selten. Oft ist man sich dagegen sicher, daß es einen Sinn geben muß, dessen Erkennen aber durch elektronische Manipulation, extreme Klangdichte oder schlicht fehlende Fremdsprachenkenntnis verhindert wird. Der Hörer befindet sich somit in einer ähnlichen Situation, wie die Menschen/Bibliothekare in der Welt von Borges: immerfort beschäftigt, die der Wahrnehmung zugänglichen Zeichen zu entschlüsseln.

Anmerkungen zur Realisation

Das 6-kanalige Tonband wurde mit Hilfe vieler Sprecher, von denen wir hier besonders Maria Labarta, Ehrhardt Wagner, Andreas Nestke und Grit Diaz de Arce hervorheben möchten, im Studio für elektroakustische Musik (STEAM) der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" Berlin von uns realisiert. Auf dem 120-minütigen Band befinden sich 3 verschiedene Versionen der akustischen Bibliothek, die - stellvertretend für die unermeßliche Zahl aller Kombinationen - in einer Endloschleife in den "Hörsaal" eingespielt wurden.

Die Sprecher waren:
Maria Labarta, Ehrhardt Wagner, Andreas Nestke, Grit Diaz de Arce
Juliane und Simon Bartetzki
Iannis Antonopoulos, Akaki Awalischwili, Raviv Herbst, Ildar Kharissov, Irina Kornejewa, Seong-Joon Moon, Doris Moosbach, Isabell Pauer, Valérie Schill-Suty, Massimo Serenari, Steel Stylianou, Nicolae Teodoreanu, Didi Zhang
Thomas Noll, Andre Bartetzki